Babyschwimmen und Tauchen: Scheidung unvermeidlich

Baby tauchen

Babyschwimmen und Tauchen sind wie Apotheke und Traubenzucker:

Ein Ort der Gesundheit verteilt an Kinder handvolle Mengen eines Stoffes, der dem Organismus schadet.

Obwohl es alle eigentlich wissen, beugen sich die meisten einer Art Gruppenzwang: Dieses eine Mal schadet es ja nicht.

Der gleiche Mechanismus wird dich beim Babyschwimmen auch erwischen: Irgendwie gehört es dazu, die Kursleiterin ist ja so nett, die meisten machen den Spaß mit, also Augen zu und durch.

In diesem Beitrag erfährst du, auf welch dünnem Eis all die ‘Experten’ argumentieren.

So ‘bewaffnet’ kannst du dich zurücklehnen und die anderen den Traubenzucker essen lassen.

Schon recherchiert? Das wirst du im Internet über das Babytauchen finden

Wenn du das Netz nach dem Tauchen beim Babyschwimmen durchsuchst, wirst du genauso viele Befürworter wie Gegner finden.

Du wirst Forumeinträge mit der Behauptung finden, dass der Tauchreflex verlängert oder erhalten wird, wenn du dein Baby eintauchst.

Manche Mütter berichten, dass sie „Herzschmerz“ hätten ihr Baby unterzutauchen und hätten es lieber von der Kursleiterin „machen lassen“.

Manche Babys verschlucken sich, manche husten, manche weinen.

Manche Mütter raten anderen Müttern, wie sie ihrem Baby die Angst nehmen können.

Wie äußern sich Autoren mit einer gewissen Autorität zum Eintauchen von Babys?

Die Autoren der Seite babyschwimmen.de entziehen sich einer Bewertung des Babytauchens

„Das Thema Tauchen bei Säuglingen ist umstritten. Es gibt viele Befürworter und Gegner.
Als neutrale Redaktion möchten wir keine Empfehlung aussprechen. Als allgemeinen Rat geben wir jungen Eltern immer den Tipp mit, auf das eigene Gefühl und die Reaktionen des Babys zu achten. Selbstverständlich sollte der Kinderarzt auch ein guter Ratgeber sein.“

https://n-flow.de/babyschwimmen/ – Artikel wurde vom Netz genommen

Schade.

Gerade von solch einer Seite erwartet man eine klare Positionierung.

Die Seite kinderarzt.at zeigt ein wenig mehr Flagge:

Das Tauchen soll eine positive Erfahrung für das Baby sein und es nicht erschrecken. Allerdings kann das Untertauchen auch negative Auswirkungen auf das Vertrauen des Babys zu den Eltern mit sich bringen, vor allem dann, wenn es unerwartet und plötzlich kommt.

http://www.kinderarzt.at/de/lexikon/subject/babyschwimmen/

Angaben zu Studien über die vermeintliche positive Wirkung? Fehlanzeige!

Ein weiterer Arzt – Dr. Andreas Busse – antwortet einer Mutter, auf die Frage was er vom Babytauchen mit 10 Monaten hält:

Experten halten diese “Tauchübungen”, die zudem noch keinerlei Sinn haben, für groben Unfug und für gefährlich, denn man kann sich speziell bei so älteren Kindern nicht auf den bei der Geburt vorhandenen Tauchreflex verlassen. Jeder Ehrgeiz ist hier wirklich fehl am Platze!

http://www.rund-ums-baby.de/kinderarzt/Wie-gefaehrlich-ist-tauchen-beim-Babyschwimmen_357967.htm

Die schwedische Ärztin Ludmila Rosenengren kommt auf der vierten Fachtagung Säuglings und Kleinkindschwimmen zu folgendem Schluss:

Man kann ein Kind nicht tauchen, ohne zu riskieren, dass man den Willen des Kindes nicht respektiert. Wie kann man wissen, dass es wirklich tauchen will? […]
Was wichtig ist, ist das Kind zu respektieren und das Kind nicht zu zwingen. Wir wollen dem Kind die Möglichkeiten und die Beschränkungen des eigenen Körpers näherbringen. […] Die Tauchreflexe sind also nicht wichtig.
Wir wollen, dass das Kind lernt, allein den Atem anhalten zu können, bevor es das erste Mal unter Wasser genommen wird. Es muss es mit Freude und ohne Furcht machen.

dsv-Jugend (Hrsg.): 4. Fachtagung Säuglings- und Kleinkindschwimmen

Reiner Czerek – Gründer einer Schwimmschule – kommt mit einem kurzen, aber äußerst präzisen Überblick über das Babytauchen zu einem etwas klareren Schluss:

Es fällt schwer, bei den Antworten einen gemeinsamen Konsens zu erkennen. Bei den eigenen Beobachtungen unterschiedlicher Tauchversuche waren verunsicherte und verängstigte Kinder in der Mehrzahl.
Im Gespräch haben mir sehr viele Kursleiter bestätigten, dass zumindest bei den ersten Tauchversuchen die meisten Kinder irritiert sind.
[…]
Da mir bisher immer noch kein einleuchtender Grund genannt worden ist, warum Säuglinge untertauchen können sollen, bleibe ich bei meiner ablehnenden Haltung.

http://www.cherek-reiner.de/mediapool/116/1169702/data/tauchen.pdf

Zwei Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin sprechen sich in einem Elternratgeber gegen das Babytauchen:

Bei den Untertauchübungen soll ein Atemanhalte-Reflex ausgenutzt werden; dieser verschwindet im ersten Lebensjahr aber individuell sehr unterschiedlich. Bei einigen Säuglingen ist er bereits nach wenigen Wochen nicht mehr vorhanden, so dass es dann zu Ertrinkungsunfällen kommen kann. Am sichersten ist es deshalb, auf die Untertauchübungen ganz zu verzichten.

https://www.gpau.de/fileadmin/user_upload/GPA/dateien_indiziert/Elternratgeber/ER_2014_3-14.pdf)

Ich denke, dass diese Proben ausreichen, um dir ein Bild von den aktuellen Positionen zu vermitteln.

Babyschwimmen und Tauchen: Drei Fakten

1. Niemand weiß, wann Kinder den Atemschutzreflex verlieren

Dein Baby wurde mit dem Reflex geboren, den Kehlkopf unter Wasser zu verschließen.

Das ist der Atemschutzreflex.

Der Atemschutzreflex gehört wie z. B. der Handreflex zu primitiven Reflexen, die im ersten Lebensjahr verschwinden und auch verschwinden sollten, weil Restreflexe weitere Reifung verhindern.

Wann Babys den Atemschutzreflex verlieren ist nicht ganz klar.

Im Netz haben sich die meisten ‚Experten‘ trotz dieser Unklarheit einfach mal auf sechs Monate geeinigt.

Passt schon…

2. Atemschutzreflex ist nicht Tauchreflex

Aus dem Atemschutzreflex wird irgendwann der Tauchreflex.

  • Sobald wir eintauchen, wird die Atmung „zum Stillstand gebracht“
  • Der „Herzschlag um etwa 10% verlangsamt“ und der
  • „Blutkreislauf auf den Körperkern zentralisiert“: Das Blut wird aus den Armen und Beinen in die Lunge umverteilt

In diesem Video wird der Unterschied zwischen dem Tauch- und dem Atemschutzreflex einigermaßen präzise erklärt:

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3. Niemand weiß genau, wie der Atemschutzreflex ausgelöst wird

Unklar ist ebenso, wie sich der Atemschutzreflex am besten auslösen lässt und welche Methode wie z. B. ins Gesicht zu pusten eigentlich noch respektvoll ist.

Eine der wenigen Studien über das Säuglingstauchen kam zu dem Ergebnis, dass niemand dem Baby ansehen kann, ob der Atemschutzreflex ausgelöst worden ist.

Baby beinahe beim Babytauchen ertrunken

Wenn du noch mehr Argumente gegen das Tauchen brauchst, empfehle ich dir diese Schreckensmeldung: ein sechs Wochen altes Baby ist getaucht und dabei fast ertrunken.

In der Januar-Ausgabe 2013 der Fachzeitschrift “Klinische Pädiatrie” ist der Fallbericht veröffentlicht worden, Schlussfolgerung der sechs beteiligten Ulmer Autoren, die alle Ärzte an der Kinderklinik sind: Babytauchen ist riskant, Eltern sollten darüber informiert werden.

Der Artikel wurde vom Netz genommen. Hier geht es zu dem Fallbericht.

Was ist seit 2013 passiert? Meiner Recherche nach nichts.

Es wäre spannend zu erfahren, welche von den vielen Wissensmeinungen über das Babytauchen in den Ausbildungen von Kursleitern vermittelt wird.

Tauchen im Babyschwimmen ist gefährlich

Es ist schwer nachvollziehbar, warum trotz fehlender Studien über positive Wirkungen des Tauchens auf das spätere sichere Schwimmen, trotz heißer fachlicher Diskussion, trotz großer Verunsicherung und „Herzschmerz“ bei Eltern, das Eintauchen von Babys praktiziert wird.

Ich denke, dass hier ein Problem künstlich erzeugt wird, welches nicht sein muss und dich unter Zugzwang bringt: einfach mitmachen oder sich gegen die Gruppe stellen.

Du als Mutter oder Vater stehst eh schon unter enormen Druck, dein Kind bestens zu fördern.

Nun musst du dich auch noch damit beschäftigen.

Die Befürworter des Babytauchens erwecken den Eindruck, dass dein Kind etwas verpasst, wenn es diese Erfahrung nicht macht.

Auf welch dünnem Eis sie doch stehen…

Was wäre eigentlich, wenn Schwimmschulen das Babytauchen unterließen?

Ihnen würden schon mal werbewirksame Fotos von tauchenden Babys fehlen.

Außerdem würde eine der Daseinsberechtigungen von Babyschwimmkursen wegfallen: Schließlich brauchst du eine professionelle Anleitung, um dein Baby einzutauchen.

Ich empfehle ausdrücklich auf das Tauchen zu verzichten.

Genieße lieber dein Baby, die Körpernähe, anstatt dich mit den Ängsten, Fragen rund um das Babytauchen beschäftigen zu müssen.

Dein Baby wird ganz sicher nichts verpassen!

Ergebnis

  1. Du kannst niemals wissen, an welchem Tag der Atemschutzreflex besser, an welchem schlechter funktioniert.
  2. Du kannst Dich auch nicht darauf verlassen, dass Dein Baby bis zum sechsten Monat den Reflex überhaupt noch hat.
  3. Du kannst Dich niemals darauf verlassen, dass der Atemschutzreflex bei Deinem Baby ausgelöst worden ist.
  4. Du kannst Dich ebenso auf keine spezielle Methode (anblasen, anspritzen oder Kombinationen) verlassen
  • 6 years ago
  • […] Viele Eltern verlassen sich auf die Kompetenz der Schwimmlehrer und denken, dass er schon wissen wird, wie man ein Baby untertaucht. […]

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