„Er fällt doch gleich hin!“ zischt sie ihre Schwiegertochter an.
Der zweijährige Elias erobert einen Stein nach dem anderen.
Seine Mutter steht mit Händen in den Hosentaschen und schaut zu, wie sich ihr Sohn mit der Ruhe eines Hochseilartisten vorsichtig aufrichtet.
Er steht nun auf dem höchsten Stein.
Riskiert Elias Mutter vielleicht gerade die Gesundheit ihres Kindes?
Ist er zu klein für so einen Kletterakt?
Er sieht auf jeden Fall nicht verunsichert aus.
Er scheint genau zu wissen, was er macht.
Das hat seine Großmutter mittlerweile auch mit Erstaunen bemerkt.
Elias Mutter steht weiterhin mit den Händen in der Hosentasche am Rande des Geschehens und lächelt ihrem kleinen Liebling zu.
Er hat es ganz alleine geschafft.
Wie das möglich ist, fragst du dich jetzt?
Lass dich von den zehn Geheimnissen der freien Bewegungsentwicklung überraschen!
Mit diesen Geheimnissen wird sich dein Kind genauso wie Elias eigenverantwortlich und sicher bewegen.
Und du hast auch was davon.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #1: „Schluss mit Schnell“
So lautet übrigens der Titel einer Arte-Dokumentation über die Ära der Beschleunigung.
Wir sind in einem Zustand permanenten Zeitdrucks: Unsere Gesellschaft rast auf die ökologische, wirtschaftliche und soziale Katastrophe zu.
https://www.youtube.com/watch?v=QHMG2XwPLyY&t=1m30s
Eltern haben Zeitdruck. Sogar eine ganze Menge.
Hast du nicht auch schon einmal Druck verspürt?
Wann war das das erste Mal?
Als dein Kind nach seinem ersten Geburtstag noch nicht laufen konnte?
Vielleicht als alle anderen Eltern schon längst beim Babyschwimmen waren und du noch nicht einmal richtig darüber nachgedacht hast?
Die Studie „Eltern unter Druck“ hat gezeigt, „dass es heute unabdingbar ist, einen Vorsprung vor den anderen zu haben.“
Krabbelt das eigene Kind später als das Nachbarskind oder läuft mit 15 Monaten noch nicht, greifen viele Eltern zu beschleunigenden Maßnahmen.
Wer macht bei dir das Rennen? Dein Kind oder doch das des Nachbarn?
Ist dein Kind vielleicht schon außerhalb der Entwicklungstabelle?
Oder versuchst du mit Fördermaßnahmen eine mögliche Verzögerung zu vermeiden?
Die Spielzeugindustrie wartet mit perfekten Produkten auf dich: Krabbelrollen oder Lauflernwagen sollen helfen, dein Kind bestmöglich motorisch zu fördern.
Ist dein Kind deutlich über der Norm, wird der Kinderarzt höchstwahrscheinlich mit einer Überweisung zu einer Physiotherapie winken.
Wie haben die Kinder früher ohne all die Geräte bloß krabbeln oder laufen gelernt?
Wie viele Kinder waren damals entwicklungsverzögert, ohne all der Therapien?
Sie haben sich in ihrem eigenen Tempo entwickelt.
Während die Kinder heute bis ins letzte Detail vermessen und anhand einer „normalen“ Entwicklung einsortiert werden, hat es früher wahrscheinlich niemanden interessiert, ob sich ein Kind mit drei, fünf oder erst mit sechs Monaten auf den Bauch drehen konnte.
Niemand hat daraus ein Drama gemacht.
Lass den Zeitdruck weg!
Flitsch’ ihn einfach weg wie einen Popel.
Erfreue dich stattdessen darüber, dass dein Kind mehr Zeit braucht: Zu schnell und zu früh ist ungenau.
Wenn Du die Entwicklung deines Kindes nicht beschleunigst, wirst Du später niemals rufen müssen:
„Lauf’ langsam! Sonst fällst du hin!“
„Halt’ dich fest!“
„Nein, nicht da lang! Siehst du nicht, dass es zu hoch ist?!“
Wie schnell und wie langsam ein Kind etwas lernt, ist sehr individuell.
Lass dich von der Dynamik deines Kindes überraschen.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #2: Verzichte auf sinnlose Geräte
Wo wir schon bei Krabbelrollen und Lauflernwagen sind…
Die Spielzeugindustrie verdient eine Menge an dir.
Woher ich es weiß?
Tippt man bei Google einen Suchbegriff ein, der mit Kindesentwicklung zu tun hat und häufig gesucht wird, sticht einem gleich die Werbung der Spielzeugindustrie ins Auge.
Jeder Klick kostet den Anbieter zum Teil mehr als 1 EUR. Das macht die Industrie nur, weil sich gerade dein Portemonnaie öffnet!
Mit Geräten wie der Krabbelrolle, Lauflernwagen oder der Lauflernhilfe sollst du dein Kind in eine Position versetzen, die es von alleine nicht erreichen kann.
Aber lohnen sich solche Investition für Kinder eigentlich?
Stell dir einmal vor, dass du als Erstklässler in die Mathestunde der vierten Klasse gesetzt wirst – da wird dir einiges vorweggenommen.
Diese Geräte funktionieren nach dem gleichen Prinzip: Sie verhindern all die vielen kleinen Entwicklungsschritte zum Krabbeln, Sitzen und Laufen.
Ihr Einsatz übergeht die natürliche Grenze von Fähigkeiten: Ein Baby, welches sich noch nicht mal auf die Seite drehen kann, wird schon auf den Bauch gelegt. Ein Baby, das noch nicht mal frei stehen kann, wird schon aufgestellt und soll die ersten Schritte machen.
So wie du dich als Erstklässler irgendwie mit den Aufgaben aus der vierten Klasse zurechtfinden würdest, arrangieren sich die meisten Kinder mehr oder minder gut mit dieser Situation.
Das Ergebnis: eine schlechte Bewegungsqualität.
Würdest Du ein kleines Kind einen steilen Hang hinaufziehen und es auf Skiern herunterfahren lassen?
Natürlich nicht.
Du würdest ihm zunächst die Möglichkeit geben zu lernen, wie man auf Skiern steht.
Dann würdest du ihm einen Minihügel anbieten.
Genauso verhält es sich mit dem Laufen lernen, dem Fahrradfahren, dem Schwimmen, dem Klettern usw.
Bis ein Kind wirklich schwimmen kann, muss es viele Erfahrungen mit der Atmung, dem Auftrieb, dem Springen, Tauchen usw. machen.
Bis ein Kind wirklich stehen und irgendwann laufen kann, muss es viele, viele kleine Positionen und Bewegungsabläufe üben.
Solche Dinge erzählt einem aber niemand.
Die Spielzeugindustrie ganz vorne ist ausschließlich an ihrem Umsatz interessiert.
Wirf dein Geld nicht zum Fenster raus.
Erfreue dich lieber an all den kleinen Fortschritten, die dein Kind jeden Tag macht.
Völlig kostenlos und stressfrei.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #3: Motorische Erfahrungen in die Höhe ermöglichen
Kletterbäume sind in Städten eher selten anzutreffen.
In einem Berliner Park steht ein Kletterbaum mit unzähligen, stabilen Ästen. Die ersten von ihnen sind etwa hüfthoch.
Eines frühen Nachmittags bin ich an diesem Baum vorbeigegangen. Der Park war menschenleer.
Als ich mich dem Baum näherte, traute ich meinen Augen nicht: Er war wie ein Obstbaum vollbehangen mit Kindern im Alter von ca. 12 Jahren.
Sie wuselten, lachten oder riefen sich etwas zu, während der nahliegende Spielplatz vollkommen leer war.
Kinder wollen in die Höhe!
Nur selten lassen sie Klettermöglichkeiten aus.
Schon Babys ziehen sich überall hoch, noch bevor sie frei stehen oder gar laufen können. Kinder, die sich in ihrem Tempo entwickeln ziehen regelmäßig sich zwischen dem 8 und 16 Monat hoch. Aus welchen Gründen sich nur wenige Kinder vor dem achten Monat hochziehen ist nicht immer ganz klar. Höchstwahrscheinlich haben diese Kinder zu wenig Platz, um sich zu rollen, kriechen, robben und krabbeln. Bereits ab dem unbeabsichtigten Rollen brauchen Babys mindestens 2 x 2 m Platz, um sich ungehindert zu bewegen. Über die Bewegungsentwicklung von Babys, die sehr viel Zeit in Tragehilfen verbringen liegt bislang keine Studie vor.
Unsere Aufgabe besteht darin, den Babys ab dem Moment Klettermöglichkeiten zu bieten, ab dem sie anfangen sich zu rollen.
Die erste Möglichkeit sollte ca. 10 cm hoch sein. Eine umgedrehte Schublade erfüllt hierfür bereits alle Voraussetzungen.
Weiter geht es dann mit einem Sprossendreieck bzw. Kletterdreieck.
Auch ein ca. 2-3m langes Rutschbrett kann krabbelnd oder stehend erobert werden.
Das Geheimnis: Kinder, die ab dem Rollalter fallen lernen UND sich die Höhe langsam erarbeiten, sind später in schwindelerregenden Höhen eines Kletterbaums selbstsicher und verhalten sich eigenverantwortlich.
Da muss man als Elternteil nicht unten stehen und jeden Schritt anleiten.
Du musst nicht ‚vorsichtig‘ oder ’nicht so hoch‘ rufen und in Angst und Bange um dein Kind einen Nagel nach dem anderen abknabbern.
Du kannst mit ihm klettern oder dich an der Freude deines Kindes erfreuen!
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #4: Ruhig beobachten, anstatt arbeiten
Ich war neulich in einem Kletterpark.
Die Kinder klettern dort in 1,5 m Höhe ohne Gurt.
Die Parcours eignen sich für Kinder ab vier, besser noch ab fünf Jahren.
Während mein Sohn mit seiner Freundin in aller Ruhe die Hindernisse überwunden hat und ich das Geschehen von unten beobachtete, hat eine andere Mutter neben mir gearbeitet.
Sie hatte wirklich allerhand zu tun: Zunächst musste sie ihr Kind auf den Anfang der Parcours hochschieben. Denn es rutschte immer wieder auf der Leiter aus.
Ihr Kind schien schwer von Begriff zu sein, denn sie musste ihm sagen, dass es nun über das erste Seil balancieren soll.
Super Tipp: Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass ich in einem Kletterpark balancieren kann.
Als nächstes folgten noch detaillierte Anweisungen:
„Halt Dich mit der rechten Hand fest! Nein hier! So ist gut. Nun kannst Du rübergehen.“
„Keine Angst. Ich fange dich auf. So und jetzt noch einen Schritt, dann hast du es geschafft.“
„Toll! Und jetzt gehst du zum nächsten Seil. Nein, warte. Fass das Seil oben an, dann kannst du rüber. So, jetzt hier. Und weiter.“
Puh… ganz schön anstrengend, diese Frau.
Während ihr Sohn mitten auf einem Seil stand, klingelte ihr Telefon. „Warte hier, ich muss kurz telefonieren.“
Sie entfernte sich einige Schritte und dann geschah es: Ihr Sohn schaute mich fragend an,
ich lächelte ihn an und er ging Schritt für Schritt bis zum Ende des Seils.
Dann wartete er, bis meine Kinder das nächste Stück beendet hatten und ging zwar etwas unsicher, aber doch nach vorne schauend über ein Kletternetz.
Zwischen uns ist kein Wort gefallen und doch haben wir etwas gemeinsam erlebt.
Inzwischen war Mutter wiedergekommen: „O toll! Halte dich gut fest…“
Menschen reden sehr gerne und sehr viel.
Ich sehe, dass viele Eltern wohl davon ausgehen, dass erstens Kinder nicht nonverbal kommunizieren können und sie zweitens für alles eine genaue Anleitung brauchen.
Manchmal frage ich mich, ob manche Erwachsene Kinder eigentlich für völlig bescheuert halten.
Wir können doch nicht jeden Schritt für unser Kind so vorausplanen wie die Mutter im Kletterpark.
Wage den Versuch und warte ab, was dein Kind macht.
Bremse Dich in deinem Impuls wirklich alles zu erklären und ständig dazwischenzureden.
Kinder lernen am besten, wenn sie ungestört sind.
Sie holen sich ihre Herausforderungen.
Genau die, die sie brauchen: Nicht zu schwer und nicht zu leicht.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #5: „Das habe ich ganz alleine gemacht“
Wenn wir schon bei ungestört sind…
„Das Kind muss auch wollen können“ Jutta Wangemann
Ich habe vor Kurzem meine Unterlagen aus der Uni durchgesehen und war sehr überrascht: Ich konnte mich an die meisten Texte noch nicht einmal erinnern.
Obwohl ich eine fleißige Studentin war, waren sie mir – obwohl übersät mit Anmerkungen – völlig unbekannt.
Doch dann stieß ich auf meine Hausaufgaben und es traf mich wie ein Blitz.
Es war, als wäre es gestern gewesen: Ich konnte mich an jede Zeile, jeden Gedanken, jede Frage erinnern. Ich wusste sogar, zu welcher Jahreszeit ich welche Hausaufgabe geschrieben hatte.
Das Geheimnis dahinter: Wir lernen etwas, wenn wir es selbst gemacht haben.
Alles, was Kinder selbständig schaffen, macht sie nicht nur stolz. Es ist der einzige Weg, etwas so zu lernen, dass es zu uns gehört und nicht nur wie ein Stück Tesa an uns klebt.
Wie ein Fremdkörper, von dem wir uns nur allzu gerne trennen würden.
In den ersten drei Lebensjahren scheinen wir Kindern in der motorischen Entwicklung kaum etwas zuzutrauen.
Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass sie ohne unsere Anleitung nichts hinkriegen.
Daraus resultiert aber nur, dass sowohl wir als auch unsere Kinder von unseren Körpern getrennt sind.
Die meisten Menschen bestehen aus zwei Hälften: Kopf und der Rest.
Der eigene Körper wird dabei behandelt wie ein Fremdkörper.
Das Geheimnis: Gehe mit deinem Kind dorthin, wo es sich selbständig bewegen darf.
Ist es ständig auf deine Hilfe angewiesen, ist die Umgebung zu schwer.
Punkt.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #6: So viel Hilfe wie nötig
Das Kind schafft etwas nicht.
Der Erwachsene steht ihm natürlich sofort zur Seite und will helfen.
Es ist doch herzlos nicht zu helfen.
Es ist herzlos das arme Wesen völlig sich selbst zu überlassen.
Fällt ein Kind hin, heben wir es sofort auf.
Wir befreien es aus seiner unwürdigen Lage.
Doch jede Hilfestellung hat auch eine unschöne Seite.
Es ist die Seite, die wir nicht so gerne sehen wollen.
Denn jede sofortige Hilfe nimmt dem Kind die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob und wie viel Hilfe überhaupt nötig ist.
Jede Hilfe macht das Kind von uns abhängig.
Warum?
Weil wir unserem Kind der Erfahrung berauben, die zu einer Lösung geführt hätte.
Beobachte dich selbst, wenn du deinem Kind hilfst.
Fühle dich in dein Kind hinein und lerne zu differenzieren:
- Ist es in einer Sackgasse und muss gerettet werden?
- Sucht es einfach nur deine Nähe?
- Oder braucht es Zeit, um eigenständig zu einer Lösung zu kommen?
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #7: Kostenlos und vielfältig
Schöne Spielplätze gibt es zuhauf.
Doch keiner dieser Spielwiesen kommt an den besten Ort der motorischen Förderung heran: den Wald.
Auf einem Spielplatz gibt es einen Anfang und ein Ende.
Der Wald ist dagegen grenzenlos.
Kinder können sich dort einen passenden Baum suchen und der unebene Waldboden fordert sie bei jedem Schritt.
Wir müssen uns nur trauen die gewohnten Wege ein wenig zu verlassen.
Wir müssen uns nur auf das Entdecken einlassen.
Das Abenteuer suchen.
Mit Kindern in den Wald zu gehen gleich einem Blockbuster: Sie finden Dinge, Tiere, sie sammeln, tasten, rennen, werfen, klettern… Sie erfinden Spiele.
Und wir als Eltern?
Was machen wir?
Wir schauen zu, folgen ihrem Interesse, können auf das Abenteuer gespannt sein.
Wir können uns einfach zurücklehnen.
Denn in unseren Kindern ist alles, was sie für ihre Entwicklung braucht.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #8: Im Wasser spielen
Kinder lieben Wasser!
Die Freude an diesem Element wird leider oft durch Schwimmkurse gedämpft.
Viele Eltern berichten, dass ihre Kinder sich weigern, den Schwimmkurs fortzusetzen, weil sie z. B. tauchen oder springen müssen.
Sie sind also für diese Schritte nicht bereit.
Im Schulschwimmen sind die Bedingungen noch schlechter.
Viele Kinder weigern sich sogar, zum Schulschwimmen zu gehen.
Die Abneigung der Kinder und der Druck durch Zensuren lässt viele Eltern verzweifeln.
Was also können wir tun, um unseren Kindern die Freude am Wasser zurückzugeben?
Die Prinzipien der motorischen Entwicklung an Land gelten auch im Wasser:
- emotionale Sicherheit geben
- Zeit geben
- eigene Schrittreihenfolge erlauben (manche Kinder fangen mit dem Springen, manche mit dem Tauchen an…)
- die natürliche Fähigkeitsgrenze der Kinder wahren (jegliche Schwimmhilfen und aufblasbares Spielzeug lässt Kinder sich in Wassertiefen bewegen, für die sie keine Fähigkeiten haben)
- die Kinder spielen lassen anstatt sie im Wasser unterrichten.
Du wirst staunen, was Kinder lernen, wenn sie ungestört spielen dürfen: Das Schwimmen kommt von ganz alleine!
Hier habe ich für dich eine genaue Anleitung für die motorische Entwicklung im Wasser.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #9: Habe Mut zur Reizarmut
Neulich hörte ich in einem Therapiebecken der Taunus Therme die hohen Töne einer Frau: „Tü, tü tü, da, da, da, oui, oui, oui, oui…“
Als ich mich dem Becken näherte, sah ich sie mit einem wenige Monate alten Baby.
Sie hielt es zu sich gewandt in der Luft, tauchte es etwas ein, holte es wieder aus dem Wasser heraus und trillerte ihre eigenartigen Laute.
So ein Baby hat enorm viel zu verarbeiten.
Es ist permanent damit beschäftigt, Körpersignale zu verarbeiten und sie zu integrieren.
Es muss einfach alle Informationen von Außen verarbeiten.
Eine Menge Arbeit…
Ein neuer Ort, wie ein Schwimmbad ist selbst für Kinder im zweiten Lebensjahr mit einem Urwald zu vergleichen.
Es ist wie eine Ladung auf einem fremden Planeten.
Aber die meisten Eltern kommen nicht einmal darauf, wie stark so eine Umgebung auf das eigene Kind wirkt.
Mein Rat an dich: Verzichte lieber darauf, dein Baby oder Kleinkind mit zusätzlichen Sinnesreizen zu bombardieren.
Aus gut gemeinter Förderung wird eine komplette Überförderung.
Stell dir immer wieder vor, dass du auf einem fremden Planeten landest: Die Schwerkraft, die Gerüche, die Akustik, das Licht – alles ist anders.
Du brauchst Wochen oder sogar Monate, um dich bewegen zu können, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, usw.
Stellt dir nun vor, dass dich jemand ständig anspricht, dir etwas vorsingt, Gegenstände vor deinen Augen schüttelt.
Stellt dir vor, dass jemand ständig deine Aufmerksamkeit auf sich lenkt, während sich deine Augen noch nicht einmal an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt haben.
Ganz ehrlich: Ich würde irgendwann ausrasten, brüllen, um mich schlagen, wenn mir jemand andauern diese Töne vortrillern würde.
Es hat nicht lange gedauert, bis das Baby im dem Therapiebecken brüllte.
Die Mutter verließ das Becken und fütterte es sofort.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #10: Bewegungsmöglichkeiten zu Hause anbieten
Besitzt du auch eines von diesen häuslichen Fitnessgeräten?
Ganz ehrlich: Steht es jetzt in einer Ecke und wird als Wäscheständer gebraucht?
Vielleicht trainierst du aber auch fleißig und erweiterst dein privates Fitnessstudio?
Auch Kinder brauchen ihr eigenes Fitnessstudio.
Es dient bestimmt nicht einem gezielten Aufbau von Muskeln oder der Ausdauer, aber es kompensiert den unendlichen Bewegungsdrang von Kindern.
Richte deinem Kind eine Bewegungsecke ein und verzichte lieber auf ein Regal.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #11: 5% Erziehung – 95% Vorbild
Hast du dich dabei erwischt, genauso wie deine Mutter zu reden?
Weiß du eigentlich wie schwer es ist, nicht dem Vorbild der eigenen Eltern zu folgen?
Wir reden, leiten an, korrigieren, schimpfen…
In Fachkreisen nennt man das Erziehung.
Ich sage dir: Vergiss Erziehung.
Schau lieber, was du deinem Kind vorlebst. Keine Erziehung bedeutet nicht, dass die Kinder sich selbst überlassen werden. In diesem Buch findest du einen Lösungsvorschlag aus dem Keine-Erziehung-Was-Aber-Dann-Dilemma.
Wenn du mit einer gewissen Abneigung in ein Schwimmbecken steigst, wird dein Kind dich kopieren.
Wenn du nur ungerne auf ein Fahrrad steigst, wird höchstwahrscheinlich auch dein Kind früher oder später das Fahrradfahren lassen.
Wenn Du jede Woche Yoga machst oder zu einer Kampfkunstschule rennst, wird auch dein Kind Interesse daran entwickeln.
Das bedeutet nicht, dass du dir eine Fahrradtour aufbürgen müsst, damit dein Kind Lust dazu bekommt.
Das bedeutet, dass du das machen solltest, was dir Spaß macht.
Vielleicht fühlst du dich im Wald wohl.
Vielleicht bist du gerne am Wasser.
Wo geht dein Herz auf?
Weißt du es jetzt?
Dann zeig es deinem Kind und auch sein Herz wird aufgehen.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #12: Sportveranstaltungen
Als Kind habe ich mit Begeisterung Eiskunstlaufen im Fernsehen geschaut.
Ich träumte davon, vor großem Publikum aufzutreten.
Ich habe sogar eine Saison in einer Eiskunsthalle verbracht.
Dann waren meine Schlittschuhe zu klein und meine ‚Karriere‘ war zu Ende.
Das Geld für neue Schlittschuhe hatten meine Eltern nicht.
Aber sie wussten, wofür mein Herz brennt.
Besuche mit deinem Kind Sportveranstaltungen: Marathon, Fußball, Basketball, Hockey, Eislaufen.
Beobachte, was dein Kind begeistert.
Biete ihm z. B. die Teilnahme an einem Kinder-Marathon an, wenn es sich für das Laufen interessiert.
Wenn Freude und nicht der Wettbewerb im Vordergrund stehen, können bereits Vorschulkinder mitlaufen.
Stimmt die Schwingung, wird in deinem Kind ein Wunsch wachsen, sich auch irgendwann mit anderen zu messen.
Geheimnis in der motorischen Entwicklung #13: Wie toben
„Ich brauche nicht mehr ins Fitnessstudio zu gehen“ sagte ein Vater nachdem er zusammen mit anderen Eltern auf Sportmatten gespielt hat.
Auch mein Herz schlug schnell. Der Muskelkater war vorprogrammiert.
Seitdem ich mit Fred Donaldson – dem Entdecker des ursprünglichen Spiels – auf der Matte war, ist original play aus unserem Familienalltag nicht mehr wegzudenken.
Das „Fred-Spiel“, wie mein Sohn es nennt, sieht aus wie Toben, kommt aber ohne Gewinner, Verlierer und Tränen aus.
Wie fängst Du an?
Ganz einfach: Gehe auf alle Viere und Dein Kind wird es Dir zeigen.
Original play können wir nur von Kindern lernen.
Wir werden weicher in unseren Bewegungen.
Je weicher wir werden, desto weicher werden auch unsere Kinder.
Nicht nur Kinder müssen lernen
Kinder entwickeln sich ganz von alleine.
Sie sind so geschaffen.
Ganz einfach.
Das heißt nicht, dass du dich gar nicht mit deinem Kind beschäftigen sollst.
Es bedeutet, dass dein Kind seine eigene Zeit hat, um sich zu entwickeln – und dass es diese Zeit auch braucht.
Gib ihm dem Raum sich selbst zu entfalten, eigenständig zu lernen und auch mal Fehler zu machen.
Aber habe immer ein Auge auf dein Kind und lerne, die Situation richtig einzuschätzen.
Greife dann ein, wenn es wirklich notwendig ist.
Auch Eltern dürfen dabei Fehler machen, keine Frage.
Aber so wie unsere Kinder, müssen auch wir uns weiterentwickeln und immer mehr dazulernen.
Und jetzt ändere etwas
Hast du dich dabei erwischt, dass du dein Kind vielleicht auch so bemutterst wie die Frau im Kletterpark?
Oder gehörst du zu den komisch trillernden Menschen, wie die Mutter im Schwimmbad?
Vielleicht gehörst du auch zu einer ganz anderen Kategorie.
Entscheidend ist, dass du deine Verhaltensmuster als Elternteil analysieren und verbessern kannst.
Darum nimm dein Herz in die Hand und setzte noch heute einen meiner Tipps um.
Dein Kind und seine Entwicklung werden es dir danken.
Danke für die Gedankenanstöße! Das nimmt einem als Mutter ziemlich viel Druck raus… ist denn Babyschwinmen grundsätzlich eine gute Idee?
Bitteschön!
Die Frage lautet: Was braucht dein Baby gerade? Was sind die besten Bedingungen, um mit dem Wasser und im Wasser frei zu spielen?
Meiner Erfahrung nach sind es
– ganz viel Ruhe,
– Zeit,
– Geduld und
– achtsame, gelassene, entspannte, zuverlässige Eltern, die diesen magischen Raum kreieren. In diesem Raum kann das Baby seinen eigenen Impulsen folgen (freies Spiel). (Impulse von Außen sind überflüssig und blockieren die selbstgesteuerte Ordnung der Sinnesreize.)
Stelle dir also die Frage: Wo ist der beste Ort, um diese Bedingungen zu erfüllen? Jeder darf seine eigene Antwort finden.
Meine Antwort: Ich würde niemals auf die Idee kommen, mit einem Baby in ein Schwimmbad zu fahren und es viel zu vielen Reizen aussetzen. Ich würde noch weniger auf die Idee kommen, an einem Kurs teilzunehmen – ob Babyturnen oder Babyschwimmen. Ein Baby hat zu Hause mit seinen Eltern mehr als genug zu entdecken und verarbeiten. Es sei, dass ich aus einem Mangelgefühl heraus denke, dass mein Kind Reize von Außen braucht, um sich zu entwickeln, dass es aus sich selbst heraus nichts entwickeln kann – mit diesem Bild vom Kind bin ich natürlich auf Kurse angewiesen.
Wenn ich jedoch spüre, dass in meinem Kind wie in einem Samen schon alles angelegt ist und ich bloß wie ein Gärtner für ausreichend Liebe, Aufmerksamkeit und Zuverlässigkeit sorge, dann ENTwickelt sich mein Kind. Ob daraus eine Blume oder ein Bäumchen wird, weiß ich nicht. Ich freue mich darüber, dass ich Zuschauer dieses wundervollen Prozesses sein darf. Dafür brauche ich keine weiteren Akteure. Das Wissen über die beste Unterstützung liegt in mir. Ich brauche keine Tipps, keine Anregungen wie ich mein Baby halten oder es im Wasser bewegen soll. Wenn ich achtsam bin, zeigt sich in diesem magischen Raum zwischen mir und meinem Baby, was es von mir hier und jetzt gerade braucht.
Ein externer Unterstützer sollte mich dabei unterstützen, den Zugang zu meinem inneren Wissen, meiner Intuition wiederzufinden.